Hat der einen Vogel oder was?

Anfangs November handelte eine meiner Kolumnen unter anderem vom Slogan «Ohne K(uns)t und Kultur wird’s still». Zeitgleich hat Thomas Godoj, ein bekannter Sänger aus Deutschland, auf den sozialen Medien eine starke Message gepostet. Unter dem Motto #alarmstuferot #ohnek(uns)tundkulturwirdsstill hat der Rocksänger mit nur einem Bild mehr gesagt als 1000 Worte es zu sagen vermögen.

Als Besitzerin einer Voliere mit vier darin lebenden Wellensittichen, höre ich immer wieder, dass es unsere Vögel wirklich schön haben und das, obwohl sie in einem «Käfig» leben. Genau so habe ich früher auch gedacht, nämlich, dass Vögel in einem Käfig arm dran sind, weil sie in Gefangenschaft leben. Heute sehe ich es anders, jedenfalls wenn die Vögel gut gehalten werden und die Möglichkeit für Freiflüge besteht. Ich habe festgestellt, dass meine Vögel ihren Käfig gerne mögen, denn er gibt ihnen Sicherheit. Wir Menschen unterscheiden uns da nicht gross, wir können nur nicht fliegen.

Max Ernst (1891 – 1976) ein Maler, Grafiker und Bildhauer, war nicht nur ein bedeutender Künstler seiner Zeit, er war auch ein weiser Mann. Eines seiner berühmten Werke heisst «Les cages sont toujours imaginaires» was auf Deutsch «Die Käfige sind immer eingebildet» heisst. Das Kunstwerk von 1925 hängt im Kunsthaus Zürich. Die Aussage hinter dem Bild hat mich fasziniert, zumal ich die letzten Jahre selber viele Vögel gemalt habe und mir nicht bewusst war, warum.

Die Faszination fürs Fliegen teilen viele Menschen. Ohne Maschine werden wir nie fliegen können, da hilft uns auch die Evolution nicht, es bleibt ein unumstösslicher Fakt. Wir verbinden Fliegen oftmals mit einem Freiheitsgefühl, weil wir dann schwerelos sind. Schwerelos zu sein bedeutet kein Gepäck. Und Gepäck haben wir Menschen oft und viel. Wir sagen nicht ohne Grund: «Jeder hat seinen eigenen Rucksack zu tragen» oder «Jeder hat sein Päckchen zu tragen». Im Übrigen ist es noch keinen Monat her, dass ich geträumt habe, dass ich mit Hilfe eines knallroten, heliumgefüllten Ballons fliegen konnte. Ich schwebte nur ein paar Zentimeter über dem Boden, aber es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Im Traum habe ich zu einer Freundin gesagt, dass es gar nicht schwer ist zu fliegen. Sie hat mir dann vertrauensvoll ihre Hand gegeben und wir sind gemeinsam durch die Strassen unseres kleinen Dorfes geschwebt. Dabei ist es kein Zufall, dass ich im Traum jemanden aus Kindheitstagen gewählt habe. Unser Käfig entsteht nämlich in der Kindheit und wie der kleine Elefant, der als Baby an einem einfachen Holzpfosten angebunden wird, begreifen wir nicht, dass der ausgewachsene Elefant oder eben auch wir Erwachsene uns von unserem «inneren Käfig» befreien könnten. Max Ernst nennt den Käfig imaginär, er existiert also nur in unserer Vorstellung. Als Kind mussten wir oft beziehungsweise durften wir nicht. Als Erwachsene «müssen» wir nicht mehr so viel, wir dürfen frei entscheiden, wobei gerade das im Moment wirklich schwierig ist, weil wir durch die Massnahmen der Pandemie entmündigt werden.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das sagt man nicht nur so, es stimmt auch. Wir mögen Veränderungen nur bedingt. Wir fühlen uns wohl, wenn wir einen gewohnten Tagesablauf verfolgen. Selten hinterfragen wir unsere Angewohnheiten. Unser Leben ist so wie es ist, man muss es hinnehmen wie ein Vogel, der in seinem Käfig sitzt. Nur wenige Menschen getrauen sich immer wieder mal auszubrechen, man kann es also tatsächlich mit Fliegen vergleichen. Vielleicht habe ich deshalb so Freude an meinen neuen Haustieren, denn sie verlassen tagtäglich ihren sicheren Käfig, um richtig fliegen zu können. Gut, es ist vielleicht nicht ganz «die grosse Freiheit», aber es ist Freiheit in einer sicheren Umgebung und das ist auch viel wert. Wenn Menschen genau dies erleben, erfahren sie grosses Glück und innere Zufriedenheit.

Lieber Thomas, wann darf der Vogel endlich wieder live singen?
Das kann ich leider nicht beantworten – soweit ich weiss, wurden die Massnahmen des «Lockdown light» noch bis ins neue Jahr verlängert und noch herrscht grade unter Kulturschaffenden und Veranstaltern grosse Planungsunsicherheit. Es bringt ja auch nichts, Konzerttermine festzulegen, wenn man dann doch wieder verschieben muss. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht noch ein weiteres Jahr ausharren müssen.

Was denkst du über die Aussage von Max Ernst, dass Käfige immer eingebildet sind?
Ich kann die Aussage nur bedingt unterschreiben. Der «Käfig», in dem ich und viele andere Qulturschaffende grade festsitzen, wenn er auch nur eine Metapher ist, ist eine sehr reale Situation. Die Massnahmen der deutschen Bundesregierung – die ich im Übrigen im Kern für sehr sinnvoll erachte – führen dazu, dass wir unseren Beruf und unsere Berufung nicht ausüben können. Wir können aber sicher weiterhin kreativ mit der Gesamtsituation umgehen und uns im Kopf möglichst viel Freiheit im Denken und Schaffen bewahren. Doch die Tatsache, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Geld ein wesentlicher Bestandteil des eigenen Überlebens ausmacht und die Verdienstmöglichkeiten für Künstler zurzeit maximal eingeschränkt sind, macht den «Käfig» doch sehr materiell und greifbar. Aber sicherlich stimmt es trotzdem, dass wir durch unsere Sozialisation, die Bedingungen, unter denen wir aufgewachsen sind, die Muster und auch Beschränkungen, in denen unsere Eltern aufgewachsen sind und die sie an uns weitergegeben haben, gewisse «Käfige» im Kopf haben. Die kann man als wohltuende Grundgerüste sehen, an denen man sich durchs Leben hangeln kann oder eben auch als Beschränkungen. Und wenn sich in einem ein undefinierbares Gefühl von Unzufriedenheit einstellt, lohnt es sich sicherlich, mal die eigene Komfortzone zu verlassen und sich und sein Leben kritisch zu betrachten und bisherige Verhaltensmuster zu hinterfragen.

Träumst du auch manchmal vom Fliegen?
Hmm… als Kind habe ich das auf jeden Fall. Heute träum‘ ich vom Singen, von Konzerten. Das geht richtig an die seelische Substanz, wenn man will und nicht darf/kann.

Du hast gerade eine neue Single herausgebracht. «Lass es regnen» ist eine kraftvolle Rockballade, die von Reue über eigene Fehler in zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt. Schreibst du die Texte selber? Bist du jemand, der manchmal bereut?
Klar kenne ich das Gefühl von Reue – wer hat nicht schon mal in seinem Leben Mist gebaut? Was ich aber nicht bereue ist, dass ich die Texte zu meinen Songs hauptsächlich zusammen mit meiner Freundin Julia Scheibeck schreibe. Wir ergänzen uns da einfach super. Sie kennt mich wie kein anderer, uns beschäftigen die gleichen Themen und sie hat das grosse Talent, neben vielen weiteren, lyrisch immer alles perfekt auf den Punkt zu bringen. Sie ist ja eigentlich Fotografin und hat auch das Foto mit dem Vogelkäfig gemacht. Sie hat dann eine Idee und setzt sie sofort um – und ich lass mich gerne einspannen, weil ich weiss, dass dabei immer irgendwas Gutes rauskommt.

DSDS ist lange her. Du hast eigentlich nie in dieses Konzept gepasst und doch, ich würde dich wahrscheinlich ohne diese Sendung nicht kennen. Ist DSDS für dich ein Fluch oder ein Segen?
Mit dieser Frage sind wir dann auch wieder bei einem «Käfig» – wenn ich zulasse, dass es ein Fluch ist, ist es ein Fluch. Betrachte ich es als Segen, ist es auch einer! Ich entscheide mich für den Segen.
Man weiss ja letztlich nie, wo man jetzt stünde, wenn nicht alles so passiert wäre, wie es eben passiert ist. Somit ist es Energieverschwendung.

Deine Songtexte sind manchmal auch politisch. Dein neues Album heisst «Stoff» und du präsentierst das Album auf Facebook mit folgenden Worten: Der musikalische Impf-Stoff ist da. Inzwischen mischt ja auch die Politik bei medizinischen Fragen mit. Darum interessiert es mich brennend, ob du dich gegen COVID19 impfen lassen wirst?
Ja, das werde ich. Natürlich ist es ein gewisses Experiment, so ein neuer Impfstoff. Doch ich möchte gerne alles tun, um meine Mitmenschen und mich selbst zu schützen und sehe es nicht ein, dass ich mich auf die Impfwilligkeit anderer verlasse, nur um selber ungeimpft und trotzdem sicher herumspazieren zu können.

Vielen Dank für das Interview, Thomas.

Was hat die Banane, was ich nicht habe?

Ist das die neue Gretchenfrage? Müssen wir uns heutzutage ständig mit der Konkurrenz messen? Auf dem Arbeitsmarkt wie auch privat? Ist das auf die Dauer nicht verdammt anstrengend? Können wir uns überhaupt auf Lorbeeren ausruhen? Und wie lange können wir noch so weitermachen?

Kürzlich hat einer meiner Facebookfreunde einen wirklich lustigen Spruch gepostet: «Habe mich gestern im Supermarkt auf die Obstwaage gelegt. Wollte einfach mal wissen, was ich als Banane kosten würde.» Was für ein witziger Spruch! Er ist aber nicht nur lustig, sondern in der Kernaussage sehr aussagekräftig. Mit unserem Gewicht als Banane würden wir nämlich sehr viel mehr kosten als eine gewöhnliche Banane. Wir wären also ganz schön teuer und damit automatisch sehr wertvoll und siehe da, wir sind beim heutigen Thema angelangt, denn es ist Dezember und die Jahres- und

Qualifikationsgespräche stehen an.

Eines haben wir Menschen nämlich alle gemeinsam: Wir wünschen uns Wertschätzung. Wir brauchen Bestätigung und Anerkennung. Ohne Wertschätzung verlieren wir die Motivation, die Freude und den Elan. Bei der Arbeit und es spielt dabei keine Rolle, ob es um einen bezahlten Job geht oder um eine ehrenamtliche Arbeit, ist der eigentliche Lohn die Wertschätzung in Form eines Geldbetrags oder einer beziehungsweise mehreren positiven Rückmeldungen, wie zum Beispiel, dass unsere Tätigkeit geschätzt wird und wir gute Arbeit leisten. Wenn dies Anerkennung über längere Zeit ausbleibt, verlieren wir mit der Zeit die Freude. Manche nehmen dies bewusst wahr und orientieren sich dann neu. Die Konsequenz für den Betrieb oder für den Verein ist dann, dass diese einen Mitarbeiter verlieren. Ich glaube, dass das Thema Wertschätzung oft unterschätzt wird.

Natürlich braucht es auch in einer Beziehung ein wertschätzendes Miteinander, sonst ist auch hier ein Scheitern vorprogrammiert.

Ich habe zum Thema Wertschätzung eine Umfrage in meinem Bekanntenkreis gemacht, denn ich wollte wissen, wie wertgeschätzt sich Menschen bei der Arbeit fühlen.

Hier das Ergebnis:

77% sind mit ihrem Lohn zufrieden.

87% sind der Meinung, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird.

31% haben aber schon einmal Tabula rasa gemacht, weil sie sich in ihrem Job zu wenig wertgeschätzt fühlten.

Daraus kann man schliessen, dass die meisten mit ihrer aktuellen Arbeitssituation zufrieden sind und nur rund ein Drittel der Arbeitsnehmer den Job gewechselt haben, weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlten. Das ist erfreulich, denn der Arbeitsmarkt ist vielen Schwankungen unterworfen. Die Ansprüche der Arbeitgeber wachsen stetig, überhaupt hat sich in den letzten 20 Jahren eine dynamische Arbeitsqulturentwickelt, so dass ein grosser Druck auf beiden Seiten entstehen kann.

Wertschätzung ist aber nicht nur in der Arbeitswelt zentral, sondern auch in zwischenmenschlichen Beziehungen. In «Mein Name ist Julia» findet sich dazu ein Gedicht. Leider reden wir oft lieber um den heissen Brei, als dass wir aussprechen, dass wir doch nur geliebt beziehungsweise wertgeschätzt werden wollen.

Wertvoll
In deinen Augen wertvoll sein,
das ist es, was ich anstrebe.
Meine Worte sollen dich berühren
und mich dir näherbringen.
Meine Taten zeigen auf,
was ich kann und was nicht.
Wertvoll sein in den Augen meines Gegenübers
wollt’ ich immer sein.
Doch erst bei Licht erkennst du den Wert eines Menschen.
Die Dunkelheit umhüllt es sicher, undurchdringbar.
In deinen Augen wertvoll sein,
das ist es, was ich wollte.
Heute erkenne ich den Betrug.
Wertvoll wird man nicht.
Man ist es.

Nur wer beobachtet, sieht wirklich

Beobachten, das klingt entweder voyeuristisch oder es klingt irre langweilig. Denn heisst «Beobachten» nicht einfach nichts tun? Nichts anfassen, nur schauen, von mir aus von allen Seiten betrachten, aber halt eben einfach «nur» beobachten. Übrigens habe ich jetzt grad ein Bild im Kopf von einem Ornithologen mit einem Feldstecher in der Hand. Halt der Klassiker, Feldstecher gleich Beobachten.

Bild: Pixabay

Dass in der Tätigkeit des Beobachtens, in der es scheint als würde man nichts tun – ausser untätig dazusitzen, so viel mehr steckt als auf den ersten Blick angenommen, ist sehr faszinierend.

Als stolze Besitzerin von Wellensittichen beobachte ich täglich das Verhalten meiner Tiere. Jetzt versteht ihr auch, weshalb ich das Bild vom Ornithologen im Kopf hatte! Noch vor einem Monat hatte ich keine Ahnung von der Vogelwelt. Jetzt hat sich mein Wissen diesbezüglich um ein Vielfaches vermehrt und das hauptsächlich durch geduldige Beobachtung. Natürlich habe ich auch einige Literatur über Wellensittiche gelesen, aber das meiste habe ich erfahren, in dem ich die Vögel beobachtet habe. Nach meinen Beobachtungen habe ich abends immer wieder im Internet recherchiert und dabei festgestellt, dass meine Beobachtungen nicht nur richtig waren, sondern dass ich auch gute Rückschlüsse gezogen habe. Das hat mir nicht nur grosse Freude bereit, es hat mich auch angespornt dran zu bleiben, weil mich «dieses persönliche Erfahren – allein durch beobachten» sehr viel weiterbringt. Spannend dabei ist, dass ich selten so bewusst gelebt habe wie die letzten paar Wochen und dabei habe ich gar nicht so viel Aufwand betrieben.

Christian Morgenstern hat einmal gesagt: «Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht». So habe ich es übrigens auch mit Wörtern. Da entdecke ich ein neues Wort und denke allen Ernstes, dass dieses Wort neu sein muss, weil ich es noch nicht kenne. Doch dann wird mir auf einmal bewusst, dass es dieses Wort schon länger geben muss, weil es mir «plötzlich» da und dort begegnet. Davor hätte ich aber noch geschworen, dass ich es bis anhin noch nie gehört oder gelesen habe. Inzwischen weiss ich, dass ich bis zum besagten Zeitpunkt noch nicht bereit war, dieses Wort in meinem Wortschatz aufzunehmen und zwar aus verschiedenen Gründen, die ich jetzt aber nicht alle hier erörtern kann. Ein wichtiger Grund ist aber sicherlich der, dass wir ständig beschäftigt sind und uns darum automatisch sehr viel entgeht.

Ich möchte euch ermutigen weniger zu tun, doch damit meine ich definitiv nicht faul auf der Couch herum zu liegen, sondern viel mehr das Leben zu beobachten, hier und jetzt. Schaut euch den Regen an – wie die Tropfen an der Fensterscheibe runterkullern oder den Wind – wie er mit den Blättern spielt. Achtet auf die Natur und schaut auch den Partner, überhaupt eure Mitmenschen, genau an. Und solltet ihr Feinde haben, so beobachtet auch diese ganz genau. Sunzi sagt im Buch Kunst des Krieges «Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.» Ihr werdet durch blosses Beobachten hoffentlich zu neuen, aber auf alle Fälle zu sehr aufschlussreichen Schlüssen kommen und euch selber und andere besser verstehen.

Meine Kolumne schliesse ich mit den Worten von Kurt Tucholsky: «Die grösste Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an».

Bild: Pixabay

Es weihnachtet sehr

… doch vielleicht wird ja auch noch das Weihnachtsfest abgesagt. Wer weiss das schon so genau? Bereits anfangs November (!) hat das Christkind die Grosshändler reich beschenkt. Die Regale sind mit Christbaumschokolade, Adventskalender und anderen leckeren Sachen vollgestopft und sogar tiefgefrorenes Fondue Chinoise wird im Aktionspreis angeboten und das, obwohl Weihnachten noch gar nicht vor der Tür steht! Kommt es mir nur so vor oder beginnt der Weihnachtsrummel mit jedem Jahr früher?

Bild: Pixabay

Jedenfalls scheint COVID19 dem diesjährigen Weihnachtsfest momentan nichts anzuhaben. Es wird fleissig für Sonntagsverkäufe geworben und der Detailhandel muss sich pandemiebedingt kaum einschränken. Im Gegenteil, neu gibt es mindestens zwei Weihnachtsartikel mehr im Angebot. Ich bin mir nämlich sicher, dass eine gewiefte Marketingstrategie auch in der Weihnachtszeit viele Masken und Desinfektionsmittel absetzen wird, dies natürlich im Weihnachtslook!

Trotzdem kann ich mir das traditionelle Weihnachtsfest mit den gängigen COVID-Massnahmen noch nicht so richtig vorstellen: Das Fest der Liebe, wie es heute gern genannt wird, mit dem obligatorischen geschmückten Christbaum, nur dass dieses Jahr alle mit Schutzmaske ehrfürchtig vor dem Baum stehen? Ich nehme an, dass Singen verboten sein wird, denn sicher ist sicher. Und wir brauchen Sicherheit – in dieser Zeit. Beim Essen darf dann aber die Maske abgesetzt werden. Sie darf aber keinesfalls als Serviette benutzt werden!

Es ist Mitte November und ich mache mir nicht nur Gedanken über Corona. Nein, ich mache mir auch Gedanken über die Weihnachtsgeschenke, die ich noch besorgen muss. Zum Glück sind es nicht viele, denn meine Familie «wichtelt» seit ein paar Jahren, was ungemein entlastend ist. Wobei das Wichteln bei uns keine vorweihnachtliche Tradition ist, sondern wir setzen das Ganze an Heiligabend um. An der klassischen Weihnachtsfeier mit geschmücktem Baum und einem festlichen Essen wie Fondue Chinoise, wird bei der Übergabe des Geschenks der jeweilige Wichtel offenbart.

Ich muss mir also nicht für jedes Familienmitglied oder für jeden Freund/-in, ein Geschenk ausdenken oder was noch schlimmer ist, notgedrungen irgendetwas kaufen, nur damit ich nicht mit leeren Händen dastehe. Nein, ich lasse mich nicht mehr stressen. Ich mache da nicht mehr mit. Ich darf mich in dieser Jahreszeit auf etwas Wichtiges, nämlich auf «meine Zeit» konzentrieren. Das ist wohl das grösste Geschenk, welches man sich selber machen kann.

In Zeiten von Corona müssten sich eigentlich immer mehr Menschen darauf besinnen, dass das grösste Geschenk im Leben «die Zeit» ist, die man «bewusst» mit sich und seinen Liebsten verbringen kann.

Und trotzdem ist es wohl nicht selten der Fall, dass Menschen sich von der Weihnachtsqultur, die sich über all’ die Jahre entwickelt hat, stressen lassen und nicht vom Ursprung, nämlich dem Geburtstagsfest Jesu. Es ist wirklich erstaunlich wie Passanten immer wieder von Interviewern überrascht werden und mit den banalsten Fragen total überfordert sind wie in diesem Beispiel hier.

Es scheint fast so, als würden wir nicht mehr wissen, wer wir sind und was wir tun und vielleicht ist das auch bei COVID19 der Fall.

Bild: Pixabay

Im Nebel wandern

Im Herbst zeigt sich die Natur in ihrem schönsten Kleid, doch oft verdeckt der Nebel in dieser Jahreszeit diese wunderschöne Landschaft. Zudem werden die Tage kürzer und eine gewisse Schwere legt sich übers Land.

Letzten Sonntag war ich darum mit meinem Mann Peter und unserem Hund Nacho wandern. Wir waren gute vier Stunden unterwegs. Peter wollte unbedingt dem Nebel entfliehen, denn er hatte schon beim Aufstehen mehrfach über das trübe Wetter im Tal geklagt. Ich war damit einverstanden, doch ich wollte nicht mit dem Auto wegfahren, so wie es viele tun, wenn im Dorf eine Nebelsuppe hängt. Ich wollte mich lieber zu Fuss auf den Weg machen. Wir sind beim Schluchtenweg in Sevelen gestartet. Im Übrigen kann ich diesen Wanderweg wärmstens empfehlen, er ist nämlich wirklich sehr schön.

Nach einem einstündigen Marsch ist es uns dann gelungen – der Nebel war weg und die Sicht klar! Und nicht nur das – die Sonne schien uns sogar ins Gesicht! Wir waren uns sofort einig, es war eine gute Idee, den doch etwas anstrengenden Aufwärtsmarsch auf uns zu nehmen.

Ich weiss nicht, ob es euch auch so geht, doch wenn ich in der Natur unterwegs bin und eine gewisse Distanz zu meinem Zuhause habe, komme ich mir vor wie in einer anderen Welt. Alles ist weit entfernt und ich fühle mich unbeschwert und frei. Wälder und Berge haben auf mich einen beruhigenden Einfluss. Im Herbst ist der Wald mit seinen bunten Blättern die absolute Krönung! Ich kann mich dann nicht satt sehen, weil der Wald dann noch schöner ist als sonst. Scheint die Sonne zwischen den Ästen hindurch, bin ich gänzlich verzaubert. Und ich liebe es einfach, durch das trockene, raschelnde Laub zu laufen oder zu gehen.

Die Natur gibt uns so viel, aber sie nimmt auch wieder. Der natürliche Lebenskreislauf beinhaltet Geburt und Tod, Gesundheit und Krankheit, Schönheit und Hässlichkeit, oft in Form von (Natur-) Katastrophen. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich Mutter Erde, wie man so schön sagt.

Eine Freundin, mit der ich früher zur Schule gegangen bin, macht auf ihren Spaziergängen regelmässig Fotos der Natur. Als sie mich wieder einmal um einen kurzen Halt bat, um die Schönheit des Waldes auf ihrem Handy festzuhalten, stellte ich ziemlich trocken fest, dass wir in jungen Jahren nicht diese Musse gehabt hätten. Es wurde mir in dem Moment so richtig bewusst, dass wir früher deswegen niemals angehalten hätten! Jetzt erinnere ich mich sogar daran, dass einmal Verwandte aus Deutschland bei uns zu Besuch waren und ganz begeistert zu unseren Bergen hinaufschauten und von einem schönen Panorama sprachen. Ich verstand in dem Moment überhaupt nicht was sie meinten, aber ich war eben damals noch ein Teenie. Heute bin ich überzeugt, dass das der natürliche Lauf der Dinge ist. Meine Kinder sehen die Welt noch nicht mit meinen Augen, aber eines Tages, werden sie das tun. Die Jahre vergehen, wir werden älter und unsere Sichtweise verändert sich.

Zum Schluss möchte ich euch ein passendes Gedicht zum Thema Nebel und Natur (in uns – unser Naturell) aus meinem Buch «Mein Name ist Julia» vorstellen:

IM NEBEL WANDERN
Wie lange kann man durch den Nebel wandern?
So viel Grau, so viel Leere und auch Einsamkeit.
Man sieht einfach nichts und niemanden!
Kann der Mensch den Weg wirklich übersehen?
Und was ist mit der Wahrheit?
Kommt im Leben alles erst viel später?
Ich hab’ lange gebraucht um zu verstehen
und andere wollen es immer noch nicht sehen.
Zweifeln an der Wahrheit oder Verzweifeln am Leben.
Wir suchen nach Wegen, das Ganze irgendwie zu überleben.
Manche meinen, es liegt an der Kindheit.
Andere sind überzeugt, es liegt an den Genen.
Ich weiss nur, wer blind durch den Nebel wandert,
der sieht leider keinen einzigen anderen.